08.02.2019

Rede als Ehrengast der 475. Schaffermahlzeit in Bremen

Die Schaffermahlzeit in Bremen ist das älteste fortbestehende, sich alljährlich wiederholende Brudermahl der Welt und dient traditionell als Verbindung zwischen der bremischen Schifffahrt und den Kaufleuten.

Hinweis: Dies ist die leicht redigierte Lesefassung der frei gehaltenen Rede von Ministerpräsident Kretschmer. Es gilt das gesprochene Wort.

Meine Damen und Herren, bis zu der Rede des 1. Schaffers und seinen Ausführungen zum sächsischen Dialekt war das ja eigentlich eine nette Veranstaltung… Aber ich muss sagen, er hat mit allem Recht. So ist es, das ist die Wahrheit, und wir Sachsen kommen damit eigentlich ganz gut zurecht.

Bremen, meine Damen und Herren ― und das habe ich gewusst, aber ich habe es heute noch einmal mehr erlebt mit HAUS SEEFAHRT und bei den Reden hier ― ist typisch für diese Bundesrepublik Deutschland, steht für die positiven Werte, für die Entwicklungen, die wir in unserem Land haben, und das tut gut. Denn, meine Damen und Herren, die große Kultur und die großen Traditionen, die wir haben, werden von Ihnen ― das merkt man ganz deutlich ― an vielen, vielen Stellen gelebt. Wir spüren hier die Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte, die Kraft der Unternehmer, der klugen Bürgermeister und Politiker, die sich den Entwicklungen gestellt haben und neue Dinge bewegt haben, wie die Verlegung des Hafens von Bremen nach Bremerhaven und die Entwicklung, die damit verbunden ist. Wir erleben hier die Internationalität, wie sie zu Wohlstand und Wertschöpfung führt. Auch das war heute schon in der einen oder anderen Rede zu hören.

Man kann in Bremen erleben, wie Integration gelingt und auch gleichzeitig scheitert, und was die Folgen davon sind. Und wir sehen hier, wie der technologische Fortschritt auf der einen Seite Chance ist und zugleich Risiko. Sie haben in Ihrer Stadtgeschichte unglaublich viele Beispiele des Vergehens und auf der anderen Seite mit Airbus, mit Daimler, mit vielen anderen Dingen auch den technologischen Fortschritt vor Ort. Und deswegen glaube ich, spürt man bei Ihnen mehr als bei anderen ― und das ist gut so und das müssen Sie sich auf jeden Fall erhalten und andere davon anstecken ― nicht die Sorge und die Ängste und die Beschreibung dessen, was alles nicht sein könnte, oder was irgendwie schief gehen könnte, sondern man spürt hier in Bremen dieses positive Zupacken. Und das will ich Ihnen sagen, das tut gut, das ist das, was dieses Land, die Bundesrepublik Deutschland noch viel mehr braucht.

Und Komplexität zu beklagen ist etwas, das wir heute an vielen Stellen immer wieder erleben. Allerdings steckt oft Unwissen dahinter oder, noch schlimmer, die fehlende Bereitschaft, auch das Scheitern eigener politischer Ideen und Konzepte einzugestehen und neue Wege zu gehen. Und das, was wir heute immer wieder sehr schnell als Populismus beschreiben und einordnen in Schubladen von Ängsten, die erlaubt sind oder nicht erlaubt sind. Das ist zunächst einmal nichts anderes, als dass ein Teil der Bevölkerung die Lösungen für Fragen, die sie umtreibt, außerhalb von Leitplanken sucht, die über die Jahrzehnte festgelegt scheinen und die Lösungen nur in einem gewissen Korridor als möglich erscheinen lassen. Und ich rate uns allen, miteinander mutiger zu sein, offener zu sein. Wir handeln auf der Grundlage eines festen Fundaments, auch das ist heute mehr als einmal deutlich geworden: Unser Verständnis von Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, all diese Werte, die diese Bundesrepublik Deutschland ausmachen, dieser Europäische Geist, gehören dazu. Und deswegen lassen Sie uns diesen Kampf aufnehmen mit denjenigen, die als Populisten immer nur die einfache und die schnelle Antwort suchen. Argumentieren wir, suchen wir neue Lösungen. Das ― meine Damen und Herren ― ist wirklich notwendig. Und lassen wir uns nicht einreden, dass die Veränderungen, die jetzt kommen, etwas ganz Besonderes sein müssen. Veränderungen, neue Aufstellungen gab es immer. Und wenn Sie in Ihre Geschichte schauen, die Geschichte Ihrer Unternehmen oder in Ihre Familiengeschichte, dann ist das eine Ansammlung, ein Zeitstrahl von neuen Entwicklungen, von neuen Herausforderungen und oftmals auch von großen Chancen und Dingen, die besser geworden sind.

Ich glaube, dass wir in einer Zeit leben, die sich in mancher Hinsicht unterscheidet. Wir haben heute eine stärkere Ich-Bezogenheit, als es früher war. Wir sind, Kollege Sieling und ich, in zwei Volksparteien, die immer den Anspruch hatten, meine Damen und Herren, zu überzeugen, Mehrheiten zu suchen. Und ich erlebe immer mehr, vor allen Dingen auch bei Splitterparteien, dass es nicht darum geht, Mehrheiten zu bekommen, sondern Recht zu behalten und die Leute in ein Korsett zu zwingen, was man selber aus der eigenen Position heraus für notwendig sieht. Und diesem Zeitgeist müssen wir mit ganzer Kraft entgegentreten. Denn es geht darum, dass wir eine offene, freie und demokratische Gesellschaft weiterhin erhalten. Dazu müssen wir veränderungsbereit sein und dürfen nicht zulassen, dass Leute sich die Welt malen, wie sie ihnen gefällt. Und wenn Sie diesen Walfisch sehen, der 1669 hier gestrandet ist, zu einer Zeit, wo es keine Radarsysteme und keinen Mobilfunk gegeben hat, wissen Sie, wenn dieses Tier heute hier ankommen würde, wie die Geschichte gewesen wäre, und was man uns erzählen würde? So ist es bei manchen anderen Dingen auch. Ein trockener Sommer ist noch lange kein Klimawandel, und deswegen lasst uns vernünftig argumentieren und nicht die Sachen von den Füßen auf den Kopf stellen.

Ich habe in den vergangenen Monaten ― und das unterscheidet mich von Ihrem Bürgermeister: der hatte eine höhere Lebensqualität als ich in den vergangenen Monaten ― unglaublich viel Lebenszeit in dieser Kohlekommission zugebracht. Und ich bin dahin gegangen, weil es mir wichtig war, dass ein Konflikt, der immer größer und lauter und schwieriger wurde, jetzt einmal geklärt wird. Der Konflikt zwischen Ökonomie auf der einen und Ökologie auf der anderen Seite. Und ich finde, dass das, was wir jetzt erreicht haben in dieser Kommission, sich sehen lassen kann. Natürlich braucht dieses Land, die Bundesrepublik Deutschland, eine Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen mit einer Versorgungssicherheit und einer Unabhängigkeit vom Ausland. Deswegen ist es richtig, dass auch die deutsche Wirtschaft durchgesetzt hat, 2023, 26 und 29 als Referenzdaten zu nehmen, um zu schauen, ob die Annahmen wirklich funktionieren: ob man gleichzeitig aus der Atomenergie und aus der Kohleverstromung aussteigen kann. Ich finde, die Antwort auf diese Frage ist noch nicht gegeben, aber wir haben an dieser Stelle Sicherheit. Genauso wie die Forderung richtig war und sie auch durchzusetzen, dass sie eine Energiepreiskompensation bekommen müssen, wenn die Preise doch steigen ― sowohl als Verbraucher wie auch als Unternehmer.

Und Sie müssen sehen, dass diejenigen, die aus den Revieren kommen, eine ganze Menge auf diejenigen zugegangen sind, denen vor allen Dingen der Klimaschutz wichtig ist. 0,3 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes kommt aus der Deutschen Braunkohle ― 0,3 Prozent! Jedes Jahr, jede Woche wird in China ein Braunkohlekraftwerk neu aufgebaut, und wir haben 0,3 Prozent. Das ist nicht nichts, aber es ist aus meiner Sicht auch nicht so, dass man das übermorgen klären muss, sondern dass man sich einen vernünftigen Zeitkorridor gibt. Deswegen sind wir bereit gewesen, den Zeitraum zu reduzieren auf das Jahr Ende 2038. Wir verzichten damit auf 1/3 aller Kohle, die bereits zum Abbau genehmigt war. Und wir haben auch nochmal deutlich gemacht, dass die CO2-Einsparung der Bundesrepublik Deutschland, die seit 1990 erbracht ist, im Wesentlichen durch den Niedergang der nicht wettbewerbsfähigen Wirtschaft in der ehemaligen DDR passiert ist. Und deswegen glaube ich, können wir alle verlangen, dass auch diejenigen, die auf der anderen Seite für die ökologischen Interessen gestritten haben, jetzt diesen Kompromiss mittragen, dass jetzt eben nicht Tagebaubagger besetzt werden, sondern dass wir jetzt miteinander diesen Kompromiss durchtragen, damit wir diese strittige Frage für die Bundesrepublik Deutschland als geklärt betrachten können. Wir haben für die nächsten 20 Jahre einen Pfad aufgezeigt, der uns eine andere Energieversorgung bringt, meine Damen und Herren.

Und ich finde, dafür ist jetzt eine ganze Menge an Arbeit notwendig. Wer möchte, dass dieser Prozess erfolgreich ist, muss investieren in Forschung und Entwicklung. Das ist zentral. Die Speicherfrage ist in keiner Weise geklärt, und ohne Speicher wird es nicht funktionieren. Wir brauchen auf der anderen Seite ein Planungsbeschleunigungsrecht, eigentlich nicht nur für die Kohlereviere, sondern für Gesamt-Deutschland. Was der Bürgermeister mir erzählt hat, welche Projekte Sie hier haben, wie lange das alles dauert, meine Damen und Herren: das ist alles nicht mehr mehrheitsfähig, das ist alles nicht mehr so, dass die Bevölkerung das mitträgt. Das muss sich ändern. Es muss schneller gehen, es muss an dieser Stelle ein Ruck durch dieses Land gehen. Und die Frage wird sich jetzt im Rahmen der ganzen Kohlekommission stellen, und das, was wir dort lernen, müssen wir dann am Ende auf ganz Deutschland, auf die anderen Regionen übertragen. Und ich will Ihnen sagen, dass zu dieser ganzen Situation ― dass die Dinge verdreht werden, und dass Minderheiten, Mehrheiten dominieren ― auch andere Fragen gehören.

Ich war vor einigen Wochen im Erzgebirge, da sind anständige, arbeitsame Leute. Und ich hab so nebenbei gesagt: Mein nächstes Auto wird wieder ein Diesel sein. Und es gab einen frenetischen Beifall. Ich hab gedacht: Um Gottes Willen, was ist da los? Und wenn Sie dann mit den Leuten reden wird klar: die haben pure Angst um ihre Fahrzeuge, dass das, was sie als Eigentum haben, nichts mehr wert ist. Und, meine Damen und Herren, das geht auch nicht. Der Diesel hat natürlich eine Zukunft, und wir haben ein Rechtssystem. Diese Fahrzeuge sind alle zugelassen, haben eine Rechtsnorm, und Fahrverbote sind kein Mittel der Wahl. Wir müssen aufhören mit dieser Diskussion. Auch das ist nicht mehrheitsfähig in der Bundesrepublik Deutschland. Und dazu muss man eben leider sagen, dass es einen Unterschied gibt zwischen einer öffentlichen und einer veröffentlichten Meinung, damit treffe ich nicht jeden Journalisten, aber manchen, meine Damen und Herren. Die Mehrheit der Deutschen wohnt eben nicht in Hamburg, Blankenese, in Berlin-Kreuzberg oder in München-Grünwald, sondern sie wohnt auf dem Land. Sie sind auf diese Autos angewiesen, und deswegen müssen wir hier zu vernünftigen Lösungen kommen.

Und es ist offenbar für manchen eine unleistbare intellektuelle Herausforderung, wenn man erklärt: Wenn man das eine tut, muss das andere nicht falsch sein. Natürlich setzen wir auf die Elektromobilität. Das Ziel von Volkswagen war unter dem alten Vorstandsvorsitzenden bis zum Jahr 2025 ein ambitioniertes Ziel von 25 Prozent Elektroautos. Sachsen hat das Leitwerk von VW für Elektromobilität in Zwickau. Die Batterien, die Sie möglicherweise auch hier in Bremen verbauen werden, kommen aus Kamenz, aus meiner Oberlausitzer Heimat. Selbstverständlich wollen wir an diesem Fortschritt teilnehmen. Und wenn man sich den Gesamtmarkt anschaut, sind 25 Prozent eine riesige Menge, und das ist eine Riesenchance. Aber es verbleiben dann eben noch 75 Prozent, und ich rate uns allen auch hier zu einer großen Technologieoffenheit. Dass Leute, die ein geisteswissenschaftliches Studium oder gar keins haben, mit einer so unglaublichen Absurdität und Radikalität glauben, die Zukunft in diesen technologischen Fragen vorauszusagen, macht mir Angst. Und wenn Sie in der Welt unterwegs sind, dann ist es eben nicht so, dass alle sagen, diese Elektromobilität, wie wir sie in Deutschland vorantreiben, ist die Zukunft, sondern es gibt andere Konzepte: zum Beispiel Wasserstoff oder die Brennstoffzelle. Auch diese Frage ist noch nicht entschieden. Eine kluge Politik macht hier ein breites Feld auf, sorgt dafür, dass verschiedene Konzepte sich bewähren können. Das rate ich uns hier in der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls auch, meine Damen und Herren.

Und am Ende ist es eine Frage, wie wir die Resilienzfähigkeit unserer deutschen Demokratie ein Stück weit erhöhen können. Wir müssen in der Lage sein, parteiübergreifenden Konsens in den wesentlichen Fragen zu erzeugen. Sie haben hier in Bremen, wie ich finde, mit dem Schulfrieden genau dies getan. Sie haben versucht, neue Wege zu gehen. Und ich hab ja gesehen, was der Herr Bürgermeister mir an Unterlagen mitgegeben hat ― ich hatte ihn auch darum gebeten, mir Informationen zu geben zu dem, was hier in Schulpolitik passiert, denn das macht mir einigermaßen Sorgen. Weil die ganzen Wettbewerbsvorteile, die wir Sachsen uns versucht haben zu geben ― auch was die Vergütung der Lehrer angeht― jetzt hier von den Bremern nachgeholt werden sollen. Das gefällt mir nicht, Herr Sieling, aber ich kann es auch nicht verhindern. Aber ich muss auch sagen, es hinzukriegen, dass bereits heute 100 Prozent aller Bremer Schulen über einen Anschluss von 100 MBit verfügen, das gibt es im Freistaat Sachsen nicht. Und wenn ich den Personalschlüssel anschaue für Kinder in Kindergärten und Kinderkrippen, liegen Sie deutlich besser als das, was wir haben. Und auch was die Frage der Ganztagsbetreuung angeht, kann man deutlich sehen, dass hier was passiert.

Ich sage Ihnen das deswegen, weil ich über die letzten 10 Jahre viele böse Späße über das Bremer Bildungssystem gemacht habe. Und ich hab eigentlich nicht glauben können, dass Sie mich zu dieser Schaffermahlzeit einladen, weil ich gefürchtet habe, dass Sie das wissen. Denn in der Tat ist es natürlich so, dass es vor langer Zeit bei den Bildungsstudien so gewesen ist, dass wir zunächst einmal als ehemalige DDR ein Bildungssystem, eine homogene Bevölkerung und also 1990 alle ungefähr das gleiche Bildungsniveau hatten. 10 Jahre danach lag der Unterschied zwischen Brandenburg und Sachsen bei einem Jahr ― wobei man sagen muss: wir waren vorn, hat ja auch jeder vermutet. Und woran liegt das? Das liegt daran, dass Brandenburg auf viele Dinge verzichtet hat, die für uns wichtig waren. Dass in Schule Erziehung stattfindet, dass Lehrer nicht Lernbegleiter sind, sondern Pädagogen, und dass sie den Kindern auch Vorbild sein wollen. Dass wir Kopfnoten haben, in denen auch die sozialen Fähigkeiten betrachtet werden. Ich hab auch in meiner Familie Leute, die das nicht gut finden: meine beiden Kinder beispielsweise. Aber meine Frau und ich, wir finden das ziemlich gut, und deswegen bleiben wir dabei. Oder zentrale Prüfungen. Sie haben in Bremen eine unglaublich schwierige Situation, und Sie können das von heute auf morgen nicht ändern. Es ist wie wandern im Hochgebirge. Wenn man einmal den falschen Pfad hat, ist es unendlich schwer, das nächste Niveau zu erreichen. Aber ich habe das Gefühl, und als Bildungspolitiker der letzten 15 Jahre glaube ich, kann ich es auch mal so sagen, dass man hier wirklich dabei ist, einen neuen Weg zu gehen, anzupacken, die Sachen hinzukriegen. Das find ich klasse, und deswegen verspreche ich Ihnen, dass ich auch keine lästerlichen Bemerkungen mehr über das Bremer Schulsystem machen werde, meine Damen und Herren.

Denn das ist, was uns hier miteinander verbinden muss. Dieses Land muss auf Leistung setzen. Wir können die Kinder und Jugendlichen nicht in Watte packen. Die Konkurrenz um uns ist viel zu stark, und deswegen müssen wir anpacken. Wir dürfen nicht nur darüber sprechen, wie wir leben wollen, sondern vor allen Dingen wovon wir in 10 oder 20 Jahren leben wollen. Und was man ab und zu von Politikern vor allen von Linken und Grünen zum postindustriellen Zeitalter hört, das ist etwas, was ich überhaupt nicht teile. Dieses Land muss Produktionsland bleiben. Wir brauchen Wertschöpfung. Das ist doch das, was wir auch nach der Finanz- und Wirtschaftskrise gesehen haben. Und natürlich werden es wahrscheinlich nicht mehr die Metallschmieden sein, die die großen Beschäftigungseffekte bringen, aber wir müssen auf Produktion, auf Wertschöpfung setzen. Und deswegen muss dieses Land, die Bundesrepublik Deutschland, die Chancen der Digitalisierung mit beiden Händen ergreifen. Genau darum geht es. Wenn wir dort erfolgreich sind, werden wir auch in Zukunft hier mit unserem Produktionsland erfolgreich sein. Und dafür ist es notwendig, meine Damen und Herren, dass wir den Schwarzmalern endlich in die Arme fallen. Das sind oftmals Leute, die wirklich keine Ahnung haben und über Dinge herumphilosophieren. Wir brauchen den Modus des Anpackens, des Schaffens, und da bin ich bei Ihnen, glaube ich, genau richtig.

Digitalisierung ist Infrastruktur. 100 Prozent der Schulen in Bremen haben 100 MBit. Wir verhandeln grade über den Digitalpakt. Und ich will Ihnen sagen: Es ist mir, nachdem ich Ministerpräsident geworden bin ― und der Bürgermeister hat ja eine ähnliche Biografie wie ich: Wir waren beide im Bundestag, wir haben da gearbeitet, wir sind müde und kaputt ins Bett gefallen und waren der Meinung, wir haben viel geleistet; und ich glaube, das haben wir auch ― also nachdem er Bürgermeister, ich Ministerpräsident geworden bin, ist uns klar geworden, dass die Sache von der regionalen, von der Landesebene nochmal eine ganz andere ist. Und ich kann Ihnen wirklich nur sagen: Wenn wir ein französisches System wie den Zentralismus hätten, hätten wir viel mehr Konflikte, viel mehr Probleme. Gerade der Föderalismus sorgt dafür, dass wir passgenauere Lösungen finden, und deswegen lasst uns dabei bleiben. Wir müssen auch beim Digitalpakt vorankommen: Diese 5,5 Milliarden EUR müssen zügig in die Schulen investiert werden, aber dafür muss man nicht das Grundgesetz so verunstalten, wie das jetzt vorgesehen ist. Wir wollen das anders haben. Und seien Sie sicher, gerade der Föderalismus sorgt dafür, dass gewisse Spitzen abgebrochen werden und wir nicht solche Gelbwesten-Bewegungen haben wie in anderen Ländern. Das ist ein großer Vorteil für die Bundesrepublik Deutschland.

Vielleicht auch zu diesem Thema ein paar Bemerkungen, weil ja für Sie auch das Thema Verteidigungswirtschaft hier ein wichtiges ist. Wir sind sehr froh darüber, dass der Bund eine neue Agentur für Cybersicherheit gründet. Das ist ein wirklicher Paradigmenwechsel in der Geschichte auch der Forschungs- und der Technologiepolitik. Bisher gab es Forschungsförderung und es gab auf der anderen Seite Beschaffung bei der Bundeswehr oder bei den Ländern und beim Bund. Und jetzt gehen wir in diese Zwischenphase, so ähnlich wie auch die Amerikaner mit ihrem DARPA-System. Wir schauen uns ganz früh an, welche Entwicklungen es in der Grundlagenforschung gibt und gehen mit Beteiligungskapital und Beschaffung in die ganze Sache hinein. Ich halte das für wirklich wichtig und zentral. Aber ich sehe schon, wie dann wieder Demonstrationen anfangen, dass wir im Verteidigungsbereich etwas tun. Auch da müssen wir sagen: Nein, das ist richtig, die Verbindung von zivilen und militärischen ist gewollt, weil damit eine andere Dynamik erzeugt wird. Auch diesen Leuten müssen wir sagen, dass wir es anders sehen, denn dafür haben wir schließlich auch die Meinungsfreiheit, meine Damen und Herren. Für solche Freiheit, scheint mir, sind nicht so viele dafür.

Freiheit, meine Damen und Herren, war der Grund, warum Sie hier nach 1945 die Dinge erfolgreich aufbauen konnten. Und Freiheit und weniger Regularien ist der Grund, warum in den neuen Bundesländern nach 1989/90 so viel entstanden ist. Und deswegen bin ich sehr der Meinung, dass wir versuchen müssen, die Regelungsdichte zurückzufahren. Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Regulierung. Wir brauchen auch eine vernünftige Diskussion über die Steuer- und Abgabenlast. Politik ist nicht Geld ausgeben. Politik ist Freiräume schaffen. Und das müssen wir mit der jetzigen Bundesregierung viel mehr diskutieren. Wenn Sie sich anschauen, welche Spielräume entstanden sind durch die niedrigeren Zinsen, und wie dieses Geld eins zu eins in neue Leistungsgesetze umgesetzt worden ist, dann ist das keine gute Entwicklung. Damit muss jetzt Schluss sein, und das müssen wir auch bei den schwierigen Themen wie beispielsweise der Grundrente so offen miteinander diskutieren. Natürlich ― und das haben wir ja auch zugesagt ― wollen wir für die Leute, die eine besonders kleine Rente haben, etwas tun. Aber das, was jetzt auf dem Tisch liegt, ist nicht eine zielgenaue Lösung für wenige, sondern es sind 5 bis 6 Milliarden EUR dauerhaft. Das muss so nicht sein, das kann so nicht sein. Deswegen muss man auch diese unangenehme Frage einmal stellen. Und ich finde schon, dass man da auch eine Spaßbremse sein darf, weil es am Ende besser ist für dieses Land, wenn die Dinge etwas gründlicher durchdacht werden. Und in diesem Sinne habe ich gelernt, dass die Schaffermahlzeit eine sehr disziplinierte Veranstaltung ist, dass das alles hier sehr ordentlich nach Zeit geht, und da will ich mich selbstverständlich auch unterordnen.

Ich danke Ihnen für Ihre Einladung. Ich hab mich sehr darüber gefreut und empfinde es als eine große Ehre, und ich lade Sie herzlich zu uns in den Freistaat Sachsen ein. Mir ist meine erste Landung auf dem Flughafen Bremen noch gut in Erinnerung, als der Kapitän sagte: »Meine Damen und Herren, herzlich willkommen auf dem Flughafen in Bremen, der Heimstadt des Deutschen Fußballmeisters und Pokalsiegers.« Das ganze Flugzeug jubelte. Und ich wünsche Ihnen dieses Erlebnis sehr, wenn Sie in der nächsten Zeit dann in Leipzig landen.

Wir leben, meine Damen und Herren, in dem besten Deutschland, was es je gegeben hat. Lassen Sie uns dafür arbeiten, dass es auch in Zukunft bleibt. Glück auf! Gott schütze die ehrbaren Schaffer und alle Menschen in Bremen.

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