Reise des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich in die Volksrepublik China
Ministerpräsident Tillich reiste anlässlich der zehnjährigen Regionalpartnerschaft Sachsen-Hubei vom 15. bis 22. November in die Volksrepublik China.
Auf der Reise wurde der Ministerpräsident unter anderen begleitet von Martin Dulig, Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Thomas Schmidt, Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Peter Nothnagel, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH (WFS) sowie Dr. Jörg Brückner, Präsident der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft und Dr. Franz Voigt, Präsident der IHK Chemnitz.
Mit insgesamt fast 90 Personen, darunter 45 Unternehmer und Wissenschaftler, handelte es sich um die größte sächsische Delegation, die unter einem Regierungschef je zu einer außereuropäischen Auslandsreise aufgebrochen ist. Neben Gesprächen mit hochrangingen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über die bilateralen und wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder, besichtigte Ministerpräsident Tillich in China auch ansässige sächsische Unternehmen. Ebenso begleitete der Regierungschef zwei Konzerte der Sächsischen Staatskapelle in Wuhan und Peking, die am 19. November als Kulturbotschafter ihre China-Tournee beendete. Wuhan ist die Hauptstadt der Partnerprovinz Hubei, mit der Sachsen seit zehn Jahren besonders eng zusammenarbeitet.
Der sächsischen Wirtschaftsdelegation gehörten Unternehmen aus verschiedenen Branchen an, vom Maschinen- und Anlagenbau über Umwelttechnik bis hin zur Ernährungswirtschaft. In der staatlich gelenkten Marktwirtschaft Chinas besitzt die politische »Türöffnerfunktion« gerade für kleine und mittlere Unternehmen eine große Bedeutung.
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Das Interview führte Andreas Debski, veröffentlicht in der Leipziger Volkszeitung vom Montag, den 13. November 2017.
Herr Tillich, für Sie schließt sich mit China ein Kreis: Ihre erste Auslandsreise als Umweltminister ging 2005 genau dorthin. Wie sehen Sie diese Abschiedstour?
Es ist schon spannend zu sehen – und es freut mich auch persönlich –, dass das, wofür damals der Grundstein gelegt wurde, jetzt Früchte trägt. Vor gut zehn Jahren war es eine eher politisch getriebene Partnerschaft, heute wird sie auch wirtschaftlich getragen. Es wird die größte Auslandsdelegation sein, die je von Sachsen aufgebrochen ist. Das macht mich zufrieden und auch stolz. Unsere Partnerregion Hubei ist mit 82 Millionen Einwohnern zwar die kleinste, aber eine sehr wirtschaftsstarke Region in China. Sie konnten sich aussuchen, mit wem sie zusammenarbeiten wollen. Viele Regionen haben sich Bundesländer wie Bayern oder Baden-Württemberg ausgesucht, doch in Hubei haben wir das Rennen gemacht.
Was erwarten Sie sich von der Reise – sowohl wirtschaftlich als auch politisch?
In der deutschen, europäischen und auch in der Weltkarte ist Sachsen immer noch eine Region, die, was ihre Potenziale betrifft, noch sichtbarer werden muss. Für die Unternehmen geht es natürlich darum, entsprechende politische Unterstützung zu bekommen, dass ihr Engagement gewünscht ist.
Einerseits ist China der Buhmann, Stichwort Menschenrechte. Andererseits will Sachsen wirtschaftliche Kontakte. Wie schwierig ist diese Gratwanderung – oder wird das Politische zurückgestellt?
Als ich 2005 in China gewesen bin, spielte Umweltschutz keine Rolle. Mittlerweile ist dieser auch für die Chinesen wichtig. Das heißt: Mit dem Wohlstand wachsen auch die Ansprüche, ob es nun das Mitspracherecht oder eine saubere Umwelt ist. Dieser Prozess ist mit den Bürgerbewegungen in der ehemaligen DDR vergleichbar.
Die Frage ist, ob die Menschen in China tatsächlich mitentscheiden dürfen. Der letzte Volkskongress hinterließ einen anderen Eindruck.
Richtig ist, dass die Kommunistische Partei in China alles dafür tun wird, um ihren Einfluss zu behalten. Gleichzeitig öffnet sie sich in einem Maß, wie es in Kuba oder Nordkorea nicht der Fall ist. Zugleich ist China auch nicht allein aufgrund der großen Bevölkerung als Markt interessant, sondern auch für Investitionen. Insgesamt ist ein Prozess im Gang, den die chinesische Regierung immer weniger kontrollieren kann.
Aus China wird demnächst ein Autobauer in Sachsen aktiv. Werden weitere Investoren folgen?
Genau darum wird es gehen: Wir wollen für chinesische Investoren interessanter werden. Daneben sollen auch noch mehr Chinesen für Sachsen interessiert werden – als Tourismusland und als Land, aus dem viele Produkte in China verkauft werden. Gefragt sind Luxusgüter wie Meissner Porzellan, der Porsche oder Uhren aus Glashütte. Denn es gibt eine große Bevölkerungsgruppe, die über sehr gute Einkommen verfügt. Allein in der Provinzhauptstadt Wuhan verdienen rund zehn Prozent der sechs Millionen Einwohner mehr als 120.000 Dollar im Jahr. Auch das ist unsere Zielgruppe.
Das heißt, es geht um Exportschlager.
Das ist ein wesentlicher Ansatz. In diesem Zusammenhang ist es übrigens ein Segen, dass RB Leipzig in der Fußball-Bundesliga spielt. In aller Welt laufen Übertragungen, das Interesse ist riesengroß. Das ist die beste Werbung. Eine solche Investition, wie sie Herr Mateschitz mit RB Leipzig getätigt hat, ist auch für Sachsen Gold wert. Da es keine DAX-Unternehmen gibt, die in den ostdeutschen Sport investieren, müssen wir Herrn Mateschitz als Österreicher dankbar sein. Auch bei der Werbung um ausländische Investoren, wie unter anderem in China, müssen wir uns selbst kümmern.
Mit welchen Vertragsabschlüssen rechnen Sie?
Oberste Prämisse ist die zehnjährige Partnerschaft mit der Provinz Hubei. Es wird keine klassische Reise für Vertragsabschlüsse sein, wie es beispielsweise die Kanzlerin gern macht, auch wenn wir einiges unterschreiben werden. Uns geht es darum, Türen zu öffnen und ein noch besseres Umfeld für wirtschaftliche Kontakte zu schaffen. Mit einer großen Präsenz – es reisen ja auch Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) und Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) mit – wollen wir deutlich machen, dass wir ein großes Interesse an der weiteren Vertiefung unserer Beziehungen haben.
Fühlen Sie sich in Sachsen manchmal unter Wert verkauft?
Manche wissen mehr, andere weniger, welche Instrumente die Politik hat, wirtschaftliche Dinge zu ermöglichen. Die meisten sehen die Mühen nicht. Am Ende geht es darum, dass Zählbares herauskommt, dass Investoren nach Sachsen gelockt werden. In dieser Beziehung ist uns in den vergangenen Jahren einiges in Sachsen gelungen. Wir haben große Ansiedlungen, die hunderte und tausende Arbeitsplätze schaffen und schaffen werden. Und wir haben endlich auch den Durchbruch zur Spitze in der Wissenschaft geschafft.
Es ist aber ein wesentlicher Kritikpunkt auch an Ihnen, dass sich Sachsen auf seine Leuchttürme konzentriert und dabei die kleineren Unternehmen vergisst.
Das stimmt einfach nicht. 70 Prozent der Arbeitsplätze sind in Sachsen in mittelständischen Unternehmen. Und wir haben 65 Weltmarktführer, von denen die wenigsten in den großen Städten sitzen. Natürlich braucht es aber auch Lokomotiven, die andere mitziehen. Das BMW-Werk in Leipzig ist ein solches Beispiel, oder auch der Halbleiterhersteller Globalfoundries in Dresden. Es würde heute viele Anlagenbauer in Sachsen nicht geben, hätten diese Ansiedlungen nicht stattgefunden. Ziel ist es, eine geschlossene Wertschöpfungskette, einen gesamten wirtschaftlichen Kreislauf zu schaffen – und nicht mehr nur verlängerte Werkbank zu sein.
Kommen deshalb nach China nicht nur die Big Player, sondern auch viele kleinere Mittelständler mit?
Natürlich geht es auch hier um Kontakte. Ein sehr gutes Beispiel ist die Eibauer-Brauerei, die inzwischen zu den größten ausländischen Bier-Anbietern in China gehört. Man könnte selbstverständlich auch eine Brauerei in China bauen – doch die Chinesen wollen deutsches Bier, gebraut mit deutschem Wasser. Insgesamt hat die sächsische Nahrungsgüterwirtschaft sehr gute Chancen, in China Fuß zu fassen. Das liegt zugegebenermaßen auch am Ruf von „Made in Germany“. Dass die Mittelständler sich diesen Schritt überhaupt zutrauen, ist auch das Ergebnis unserer sächsischen Wirtschaftspolitik – jetzt haben die Unternehmen eine solche Kraft entwickelt, um diese Märkte zu avisieren.
Das Reiseprogramm des Ministerpräsidenten in Kurzform
Reisetag | Stationen |
---|---|
16. November |
Ankunft in Wuhan Zusammentreffen mit der Wirtschaftsdelegation |
17. November |
Gespräch und Besichtigung in der Wuhan University of Technology Festempfang anlässlich „10 Jahre Regionalpartnerschaft Sachsen – Hubei“ Konzert der Sächsischen Staatskapelle in der Qintai Concert Hall in Wuhan |
18. November |
Ankunft in Yichang 3-Schluchtenstaudamm und Besichtigung Empfang der örtlichen Stadtregierung Yichang |
19. November |
Ankunft in Peking Konzert der Sächsischen Staatskapelle im NCPA (Nationales Zentrum für Darstellende Künste, Peking) Empfang auf Einladung der Sächsischen Staatskapelle anlässlich des Abschlusses der China-Tournee |
20. November |
Politische Gerspräche mit Ministern und Lokalpolitikern Besichtigung eines Bildungsprojektes am Beijing Institute of Technology Gespräch mit chinesischen Altstipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Stand der deutsch-chinesischen Beziehungen |
21. November | Round Table Meeting im „China Silicon Valley“ in Peking |
22. November | Rückreise |
Reisestationen
Warum China für Sachsen wichtig ist
Zwischen Sachsen und China bestehen bereits seit Anfang der 1990er Jahre intensive Beziehungen, die über den Austausch von Delegationen, den Besuch von Konferenzen oder den politischen Austausch erfolgen. Dabei sind die chinesischen Beziehungen vor allem für die wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen von besonderer Bedeutung.
China ist wichtigster Handelspartner für die sächsische Wirtschaft
Im Jahr 2016 exportierte der Freistaat Waren im Wert von 5,5 Milliarden Euro. Damit ist China der wichtigste Auslandsmarkt für Sachsen. Der sächsische Export nach China war im Jahr 2016 genauso groß wie der Export von Berlin, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, dem Saarland und Bremen zusammen. Sachsen ist damit das einzige deutsche Bundesland, welches China als größten Handelspartner hat.
Zu den meisten Ausführgütern gehören Produkte des Kraftfahrzeugbaus, des Maschinenbaus und Elektronische Erzeugnisse. Auch bei den Importen zählt das Reich der Mitte zu den wichtigsten sächsischen Handelspartnern und belegt Platz drei hinter der Tschechischen Republik (Platz 1) und Polen (Platz 2).
Enge Kooperationsbeziehungen zwischen sächsischen und chinesischen Hochschulen
Sächsische und chinesische Hochschulen führen enge Kooperationen in Wissenschaft und Forschung. Neben dem Austausch von Studierenden bestehen zwischen ihnen zahlreiche Einzelprojekte in verschiedenen Fachrichtungen. Im Fokus stehen dabei auch gemeinsame wissenschaftliche Publikationen und Konferenzen. Am Stichtag 01.12.2016 waren 3.207 Studierende mit chinesischer Staatsbürgerschaft an sächsischen Hochschulen eingeschrieben.
Sachsen wird bei chinesischen Touristen immer beliebter
Der Freistaat erfreut sich unter den chinesischen Touristen einer immer größer werdenden Beliebtheit. In den vergangenen vier Jahren stieg die Zahl der chinesischen Besucher um stattliche 65 Prozent. Zu den beliebtesten Zielen gehören die Städte Dresden und Leipzig sowie das Sächsische Elbland. Von allen Bundesländern belegt Sachsen derzeit Rang acht unter den beliebtesten chinesischen Reisezielen in Deutschland.
Schon gewusst?
- Sachsen heißt auf Chinesisch: 萨克森 (Sàkèsēn).
- August der Starke besaß die zu seiner Zeit weltweit größte chinesische Porzellansammlung, die zugleich als Inspiration und Vorlage für die Porzellanmanufaktur Meißen diente.
- Die Fluggesellschaft AeroLogic, Polar Air Cargo und Kalitta Air fliegen im Auftrag der DHL bis zu 22 mal pro Woche Güter von Leipzig/Halle nach Hongkong.
- In China leben 20.315 Deutsche (Stand 31.12.2014).
- Seit September 2011 fährt täglich ein Containerzug vom BMW-Werk in Leipzig nach Shenyang in China. Für die 11.000 km lange Strecke benötigt der Zug ganze 23 Tage.