26.02.2016

Rede im Bundesrat zur 942. Sitzung

Sehr geehrter Herr Prä­sident!

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kolle­gen!

Es ist mir ein persönliches Anliegen, zu Beginn etwas zur aktuellen Diskussion und Situation in Sachsen zu sagen.

Ja, meine Damen und Herren, es stimmt: Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus, und es ist größer, als es der eine oder andere bisher wahrhaben wollte.

Das, was in Sachsen geschehen ist, beschämt uns und ruft uns auf, noch entschiedener gegen diejeni­gen vorzugehen, die Mitmenschlichkeit und Respekt vor anderen mit Füßen treten, die Menschen bedro­hen oder gegen sie Gewalt anwenden. Wer Busse mit Flüchtlingen angreift, wer Asylunterkünfte anzündet, wer Journalisten, Helfer oder Politiker angreift, wer rassistisch hetzt, egal ob im Netz oder auf einer Demo, der hat alles verraten, was Sachsen, was Deutschland ausmacht.

Das Grundgesetz als gesellschaftliche und politi­sche Werteordnung ist nicht verhandelbar. Wir, das heißt die übergroße Mehrheit der Sachsen, werden noch deutlicher machen, dass dies die Grenze ist, die in unserem Land nicht überschritten werden darf.

Seit Jahren engagieren sich fast 1 Million Men­schen in Sachsen täglich ehrenamtlich für unsere Ge­sellschaft, für Demokratie und für Toleranz.

Wir wissen, dass wir einen starken Staat brauchen, der präventiv und repressiv den Ereignissen etwas entgegensetzt und der dabei von einer aktiven Ge­sellschaft unterstützt wird. In diesem Bereich haben wir in den vergangenen Monaten und Jahren bereits zahlreiche Maßnahmen im polizeilichen und im zivil­gesellschaftlichen Bereich umgesetzt. Unsere An­strengungen für eine wehrhafte Demokratie werden wir nochmals deutlich verstärken.

Neben der Stärkung von Polizei und Justiz geht es um noch mehr und noch bessere politische Bildung, Demokratiebildung, und natürlich um eine bessere Unterstützung der Zivilgesellschaft. Ich bin dazu fest entschlossen und werde nicht nachgeben, damit Sachsen in der Öffentlichkeit wieder als das wahrge­nommen wird, was es ist, nämlich als Land mit in der übergroßen Mehrheit weltoffenen Bürgern.

Nun zu dem eigentlichen Tagesordnungspunkt, dem Asylpaket II!

Ich glaube, dass wir eine sachliche Debatte über die Asyl- und Flüchtlingspolitik brauchen, eine De­batte, die uns eint, damit wir der Aufgabe, vor der wir stehen, gerecht werden. Wir wollen den Men­schen, die zu uns kommen, Obdach gewähren. Wir wollen sie menschlich in unserem Land behandeln. Denjenigen, die ein Bleiberecht haben, wollen wir den Aufenthalt dauerhaft gewährleisten und sie in die Gesellschaft integrieren. Diejenigen, die kein Bleiberecht haben und das Land verlassen müssen, sollen zumindest die Erfahrung gemacht haben, dass sie in unserem Land ordentlich behandelt worden sind.

Seit dem Asylpaket I haben wohl wir alle dazu­gelernt. Es zeigt sich, dass die beschlossenen Maß­nahmen nicht ausreichen, um eine nachhaltige Re­duzierung der Flüchtlingszahlen zu erreichen. Das Asylpaket II ist deshalb notwendig – in der Sache und im Hinblick auf die Akzeptanz und die Zustim­mung der Bevölkerung. Ohne sie werden wir nicht erfolgreich sein. Ohne sie werden wir den Flüchtlin­gen nicht dauerhaft helfen können.

Die Erwartungen der Menschen an die Politik sind in ganz Deutschland sehr hoch – zu Recht. Dies gilt auch für das Asylpaket II. Es hat für mich zwei Über­schriften.

Die erste lautet: Die Flüchtlingskrise ist eine ge­meinsame, gesamtstaatliche Aufgabe. Es bedarf der Geschlossenheit unter den Ländern und einer ver­lässlichen Zusammenarbeit, um den berechtigten Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes gerecht zu werden. So ist es bisher geübte Praxis, dass Themen, die in der Ministerpräsidenten­konferenz beraten werden, zum Beispiel Fragen der Integrationspolitik, nicht parallel in den Bundesrat eingebracht und dementsprechend der Ministerprä­sidentenkonferenz nicht vorweggenommen werden.

Die zweite Überschrift lautet: Akzeptanz braucht Ordnung und Sicherheit. Wir brauchen mehr Klarheit für die Flüchtlinge und Asylbewerber. Und wir brau­chen mehr Klarheit für die eigene Bevölkerung. Dazu gehören schnelle Entscheidungen, wer bleiben darf und wer nicht. Dies gilt auch für das später zu be­schließende Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälli­gen Asylbewerbern.

Ich bedauere es ausdrücklich, dass die Einstufung von Tunesien, Marokko und Algerien als sichere Her­kunftsländer aus dem Paket herausgelöst worden ist. Ziel des Asylpakets II ist es, die Zugangszahlen zu reduzieren und besser zu steuern. Dazu werden wir das Asylgesetz, das Aufenthaltsgesetz und das Asyl­bewerberleistungsgesetz ändern. Die Verbindung von Registrierung, Aufenthalt und Leistungen wird die Kontrolle im Verfahren und die Steuerung durch den Staat verbessern.

Eine weitere Entlastung soll die Einführung be­schleunigter Asylverfahren für ausgewählte Gruppen und die Aussetzung des Familiennachzugs für zwei Jahre bei Personen mit subsidiärem Schutz bringen.

Ich erhoffe mir einen besseren Schutz von Minder­jährigen in Aufnahmeeinrichtungen und Gemein­schaftsunterkünften durch strengere Anforderungen an die Betreuenden.

Ich erwarte die Reduzierung von Abschiebehinder­nissen durch klare und präzise Rahmenbedingungen für die Erstellung ärztlicher Atteste.

Und ich erwarte, dass durch die Neufestsetzung der Geldleistungen künftig Fehlanreize im europäi­schen Vergleich vermieden werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen nach wie vor einen Dreiklang: Wir brauchen eine weitere Beschleunigung der Verfahren. Um die Inte­gration gewährleisten zu können, bedarf es einer Re­duzierung der Zugangszahlen. Wir müssen selbstver­ständlich denjenigen, die zu uns gekommen sind, Zuwendung zuteilwerden lassen, damit sie sich in unserem Land wohlfühlen und sich schnellstmöglich integrieren können.

Mit dem Asylpaket II können wir dies erreichen und unsere Kräfte konzentrieren. Wir zeigen, dass wir mit unseren Ressourcen verantwortungsbewusst umgehen – und damit auch mit den Kräften und dem Einsatz der vielen Tausend ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helferinnen und Helfer.

Der Rechtsstaat zeigt Handlungsfähigkeit und steht zu seinen Grundprinzipien.

Ich hoffe, dass diese Maßnahmen uns rasch weiter­helfen und wir nach der Krisenbewältigung den nächsten Schritt machen können. Auch das wird eine der großen Aufgaben für unser Land sein: sich um die Integration derjenigen zu kümmern, die lange Zeit bei uns bleiben und zum Wohlstand dieser Ge­sellschaft beitragen können und wollen.

Der Freistaat Sachsen wird dem Asylpaket II zu­stimmen.

– Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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